2003, bei der Verleihung des ersten Preises, hätte sich niemand träumen lassen, dass der Feldkircher Lyrikpreis nicht nur Lyrik ins Zentrum, sondern auch die kleine Montfortstadt Feldkirch in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken wird: Feldkirch ist - gerade durch den Feldkircher Lyrikpreis - in Florida und Neuseeland ebenso „well known“ wie in Frankreich oder Spanien, zumindest bei Dichterinnen und Dichtern.

Um die 33.000 Gedichte aus verschiedenen Teilen der Welt erreichten das Theater am Saumarkt in den vergangen 15 Jahren aus den verschiedensten Ländern. Und auf darauf kommt es an: Auf die DichterInnen in den vielen Ländern, an den vielen – auch kleinen - Orten, die sich schreibend in die Welt einbringen, die schreibend das Wort erheben. An dieser Stelle sollen all jene Dichterinnen und Dichtern in Erinnerung gerufen werden, die derzeit auf Grund ihrer literarischen Tätigkeit verfolgt werden oder in Gefängnissen eingesperrt sind: Sie sind es, die den Mut haben, sich gegen Ungerechtigkeit, Gewalt und Unterdrückung zu erheben – diesen vielen Ungenannten gehört bei der „grenzüberschreitenden Zuglesung“, die von Bludenz nach Lindau und wieder zurück führen wird, unsere besondere Aufmerksamkeit.

„Literatur als Kunst ist beim Lesepublikum ebenso wenig gefragt wie bei der professionellen Kritik“, so Felix Philipp Ingold am 19. September 2017 in der Neuen Züricher Zeitung. „Grundsätzlich gilt künstlerischer Anspruch in Bezug auf Stil, Komposition, Experiment als elitär […] − ein vernichtendes Urteil, das jegliche Markttauglichkeit infrage stellt. Ein Text soll demnach in erster Linie unterhaltsam, konsensfähig und in irgendeiner Weise anrührend sein, derweil schwierige, fordernde, also im eigentlichen Wortsinn interessante Lektüren kaum noch gefragt sind.“

Ziel des Feldkircher Lyrikpreises ist es, deutschsprachige Lyrik auszuzeichnen, welche von der Jury absolut anonym und ohne das vielerorts praktizierte Namedropping ausgewählt wird. Bewertet wird allein unter dem literarischen Gesichtspunkt. Heuer für über 400 Lyrikerinnen und Lyriker Anlass, Gedichte einzureichen und „weiter nichts zu sagen“: „& weiter nichts sagen“ so lautet nämlich eine Zeile im letztjährigen Preisträgergedicht von Arnold Maxwill, die Einladung für die teilnehmenden Autorinnen und Autoren war, sich diesem Thema zu nähern und sprach/klangarbeitend damit umzugehen.

Die Jury, bestehend aus Marie-Rose Rodewald-Cerha, Petra Ganglbauer, Julian Schutting und dem Vorjahrespreisträger Arnold Maxwill, stellte sich der Herausforderung, die Preisträger zu ermitteln. Mit Thomas Amann, Johannes Tröndle und Bernd Marcel Gonner wurden würdige Vertreter gefunden. Thomas Amann bringt einen neuen Ton in die Lyrik, er überraschte die Jury mit Gedichten, denen eine besondere Musikalität inne wohnt, eine neue Stimme, die Aufmerksamkeit erzwingt. Johannes Tröndles Einreichung überzeugte die Jury mit durchkomponierten Bildern und rhythmisierten Wortverbindungen und Bernd Marcel Gonner verstand es, eine Kluft zwischen dem jeweiligen Gedichttitel, den Regieanweisungen und dem folgenden Text zu erzeugen.

Allen Beteiligten ein Danke, dem Team des Theaters am Saumarkt ebenso wie den Preisgeberinnen (Land Vorarlberg, Literatur Vorarlberg, Stadt Feldkirch), den Mitgliedern der Jury und natürlich allen teilnehmenden Autorinnen und Autoren.

„Keiner der großen Preise“, so Ingold weiter, „geht jemals an einen noch unentdeckten Literaten, weshalb es bei den laufenden Preisvergaben denn auch nie zu Überraschungen kommt.“ Ein besonderes Danke möchte ich daher der Kulturabteilung der Vorarlberger Landesregierung aussprechen, welche vor 15 Jahren von der ersten Stunde an die Idee zu diesem Preis mitgetragen und unterstützt hat, ebenso der Impulse-Stiftung, die den Herzschlag des Lyrikpreises in den Anfängen unterstützend begleitete: Es war dies die wohlwollende Unterstützung, die positive Haltung zu demokratischen Prozessen. Diese innovative Offenheit wäre auch bei der Vergabe von anderen Literaturpreisen und –stipendien in Österreich sowie im deutschsprachigen Raum notwendig, um das gängige System des zitierten Namedropping und markttechnisch beeinflusster Preisvergaben abzustellen.

Feldkirch, im November 2017

Erika Kronabitter