Hannah K Bründl
ist Autorin an der Schnittstelle von Lyrik, Drama und experimentellen Formen. Sie studierte Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst und Germanistik, davor Komparatistik.
Hannahs Arbeiten wurden in Zeitschriften (u.a. manuskripte, BELLA triste, Transistor, die horen) und in Anthologien wie dem Jahrbuch der Lyrik publiziert, zum Open Mike, Literarischen März und Berliner Hörspielfestival eingeladen.
Hannahs szenische Texte waren beim Münchner Förderpreis, Hans-Gratzer-Stipendium, Retzhofer Dramapreis, Drama Lab der Wiener Wortstaetten und Nachwuchspreis des Theaters Drachengasse zu sehen und wurden mit Stipendien wie dem österreichischen Dramatiker:innenstipendium gefördert.
2020 entstand das im Kollektiv geschriebene und selbstproduzierte Hörspiel es gibt diese namen/es gibt diese wut über Sexismen im Literaturbetrieb. Es wurde für den ARD PiNball nominiert und bei u.a. SRF zwei und Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt.
Hannah lebt in Wien. Im Herbst 2023 erschien ihr Lyrikdebüt mit Titel Mother_s bei roughbooks.
Dieses Jahr waren Hannahs Texte auf der Longlist des Lyrikpreis München und Hannah Aufenthaltsstipendiatin am Literarischen Colloquium Berlin.
Laudatio
Laudatio auf Hannah K Bründl
Von Tobias Pagel
In dem fünfteiligen, fragmentarischen Langgedicht von Hannah Bründl steht die Auseinandersetzung eines lyrischen Ichs mit dem eigenen Körper im Mittelpunkt. Der Text nähern sich diesem „von innen betriebenen/ body“ an, dem, „was innen ist- und/ oberfläche fordert“, und lotet virtuos die Kluft zwischen Körper, Ich und Welt aus.
Doch dieser Körper, ist bedürftig, störanfällig, dysfunktional: Wiederholt versagt er, droht auszubluten, „es gerinnt es/ gerinnt nicht in mir“. Genauso bleibt auch der Textkörper beständig in Bewegung, fluide, auch er gerinnt nicht, bleibt vorläufig, indem er sich immer wieder neu zu seinen Teilen in Beziehung setzt.
In diesem Zug werden mit Hilfe verschiedener intertextueller Verweise aus Naturwissenschaft und Musik, teilweise mit Fußnoten, zahlreiche aktuelle Themen aufgegriffen und integriert: Genderdiskurs und Gesellschaft, poetologische Fragen, Möglichkeiten und Grenzen der Körpermanipulation, künstliche Intelligenz.
Dabei arbeitet der Text äußerst vielschichtig: Beständig werden „fragmente gekippt“, der Körper, dem man ausgeliefert ist, wird sprachlich zu benennen, zu erfassen versucht, um über ein besseres Verständnis so etwas wie Kontrolle zu erlangen, der er sich jedoch immer wieder entzieht, ein „körper, etwas das mir/ ohne mein zutun/ untergeschoben, deal with it“. Das lyrische Ich ringt genau darum, versucht Einfluss zu nehmen und setzt dabei textlich und thematisch immer wieder neu an: Supplements, Placebos, Breitbandantibiotika, Neuroenhancement, Chirurgie, genetische Modifikation.
In einem stream of consciousness-artigen Textfluss wird man auf eine kluge Reise mitgenommen, die in der Erkenntnis „das beharren auf/ dem eigenen körper nervt“ und der Schlussfolgerung mündet: „mach mich/ machine“. Eine immer wesentlichere Rolle spielt dabei die künstliche Intelligenz: Zu Beginn des Textes „sagt“ die KI, die Software, das Sprachmodell, später „versteht“, „empfiehlt“ sie, am Ende gibt sie gar „anweisungen“, denn „wer wüsste sonst schon wie/ man unmensch wird“.
Es ist ein komplexer, vielschichtiger Reflexions- und Transformationsprozess, dem man in diesem Zyklus beiwohnt, an dessen Ende sich das Ich zerlegt, doch auch das hat der Text bereits antizipiert: „nachträglich betrachtet/ verfransen sie also doch,/ die Anfänge“. Das lyrische Ich stellt sich „guss vor“, doch kommt „es wie er aus der form“, verläuft sich. Alles Menschliche ist Anfang, ist dazu bestimmt, Versuch zu bleiben, sowohl auf Körper- als auch auf Gedichtebene.
Dieser Text ist formal wie thematisch auf der Höhe der Zeit, besticht durch seine scheinbar nonchalante Intelligenz, seine kluge fragmentarische, verschränkte und gleichzeitig fluide Komposition. Er erkundet die Grenzen des Menschseins und ermöglicht einen neuen, innovativen Blick darauf, weit entfernt von verstaubter Verlässlichkeit.
Herzliche Glückwünsche gehen deshalb an Hannah K Bründl für ihren herausragenden Zyklus, der mit dem 2. Preis beim Feldkircher Lyrikwettbewerb 2024 ausgezeichnet wird.
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