Ozan Zakariya Keskinkılıç, geb. 1989 in Deutschland, ist Politikwissenschaftler, freier Autor und Lyriker. Er studierte Politik- und Sozialwissenschaften in Wien, Berlin und Cambridge und lehrt und forscht u.a. zu Rassismus, Antisemitismus, Orientalismus sowie zu Erinnerung und widerständiger Kunst- und Kulturproduktion. Im Frühjahr 2023 erschien sein vielbeachtetes Buch „Muslimaniac. Die Karriere eines Feindbildes“ in einer Neuauflage im Verbrecher Verlag. Neben wissenschaftlichen Texten schreibt Keskinkılıç Kolumnen, Essays, Prosa, Hörstücke und Lyrik. Seine Gedichte werden in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht (darunter Spritz, Bella triste, Jenny, Jahrbuch der Lyrik, Das Narr, die horen) und in verschiedene Sprachen übersetzt, u.a. ins Englische, Italienische und Kasachische. 2022 erschien sein Lyrikdebüt „Prinzenbad" im ELIF Verlag. Seine lyrischen Arbeiten wurden als Teil multimedialer Kunstausstellungen im Grassi Museum Leipzig, in der Literaturpassage Wien und in der ACUD Galerie in Berlin präsentiert. 2023 war er SchreibZeit-Stipendiat der Stiftung Niedersachsen im Programm "Lyrik im digitalen Zeitalter“. 2024 wurde Keskinkılıç für den Heidelberger Clemens-Brentano-Preis und den Dresdner Lyrikpreis nominiert. Er lebt in Berlin.

 

Laudatio

Laudatio auf Ozan Zakariya Keskinkılıç

Von Sabine Göttel

 

Sofort wird man heftig erfasst vom Sog dieser frechen, atemlosen Distichen - und an die Hotspots der hauptstädtischen queeren Community geschleudert. Das ist hip, kennt sich aus in der Szene, spricht deren Sprache und ist immer grundiert von den spirituellen Traditionen des Islam. Der Dichter Ozan Zakariya Keskinkılıç, 1989 in Hessen geboren, forscht zu Internationalen Beziehungen, Rassismus und Postkolonialismus. Seine Lyrik verdankt er nach eigenen Worten der poetischen Kraft der Koranverse. Glutkern der fünf prämierten Gedichte ist die historisch verbürgte Episode um den Elefanten Abul Abbas, der im 8. Jahrhundert als Geschenk von Harun, Kalif von Bagdad, den langen Weg zu Kaiser Karl nach Aachen antrat - begleitet von Isaak, Karls jüdischem Dolmetscher und Gesandten. Christentum trifft auf Judentum trifft auf Islam: Allianzen sollten geschmiedet, Missionare entsendet werden. Nun begegnen wir den hippen Wiedergängern der bunten Truppe mitten in Berlin: Händchen haltend am Kottbusser Tor ("koranverse in hipsterbärtchen"), vorm Elefantengehege im Zoologischen Garten ("unsere freiheit ist der knast / der anderen"), beim schwulen Sex im Tiergarten ("du magst es, // wenn meine großen ohren deinen rücken decken") sowie in romantischer Zweisamkeit beim Zelten und Angeln auf der Wiener Donauinsel ("heute mal raubfischgesang // morgen wieder friedfischmodus"). Kultur schrammt Kultur, Historie Aktualität, Mythos Realität. Weil der Islam allgemein als homophob und queerfeindlich gilt, scheinen queere MuslimInnen strukturell unsichtbar in unserer Gesellschaft ("no-go-area für queers"). Dem wirken Keskinkılıçs multisprachliche poetische Wimmelbilder selbstbewusst und humorvoll entgegen. Das ist immer überraschend, das ist gewagt, das ist originell und stimmig. Aber vor allem ist es engagiert: Aus dem Clash der Kulturen generiert der Autor Lyrik als Diversitätsbeschleunigerin und Empathiemaschine, als Waffe im Kampf gegen Rassismus und Ignoranz - mit hohem sprachlichen Lustfaktor. Wir gratulieren dem Lyriker, Performer und Wissenschaftler Ozan Zakariya Keskinkılıç!

 

Gedichte