Gertrude Pieber-Prem

Gertrude Pieber-Prem, geboren 1960 in St. Kathrein a. O./Steiermark, Studium an der Universität für Angewandte Kunst (Meisterklasse Peter Weibel) und an der Universität Wien (Biologie, Psychologie, Theologie), lebt und arbeitet in Wien.

 

Laudatio

Stimmungen werden mit außergewöhnlichen poetischen Bildern eingefangen. Es sind Texte mit einem sehr hohen Grad an Wärme. Der Ausdruck eigener Empfindung ohne Verwendung von Naturbildern ist auf eine extrem konzentrierte Art souverän gelungen.

Gedichte

SCHON wieder
beginnt sich der kopf
zu drehen draußen
die tropfenden sterne
die fensterstimme
stachelnde nebelhaut
um die verkrusteten augen
trauer geschlagen
und so daran vorbei
ein gänzlich zerflogener himmel
sagst du
die wunden tauben
tobender baum
so flaschengrünende splitter
menschenwärts spott und hohn

ÖFFNEN sich wieder die schleusen
glänzt das kuckuckstor
die rostbraune zirbelgestalt
der ich entgegenaltere
oder wie bündelst du deine hände
längs des tages
ufern die augen über
die triefenden blätter
noch eingerollt
ganz dicht am baum
wie von der sonne getroffen
errötet mein eichkatzenherz
während du liest

WIE mir die lippen
die lärmenden lappen
zusammenfallen oder
auseinander
bei zuckendem regen
reihenweise der tosende
wellengang
während mein anderes
augenende bewacht
bewachsen und
überbordend im morgennebel
der nicht vergeht
von zeit zu zeit sanft
und fällt auf den boden
irisfarbene schönheit

IM verwehten garten
löchrig lochförmiges
kaninchenversteck
der nackt schimmernde schnee
weit geöffnent
auch mündet nach und nach
das blaue ufer
zusätzlich
geht der himmel
so plötzlich ins getöse
bauchiger vogelmorgen
mein kopfgefährte im grünen

EIN rosengeröteter abend
oder nur der bleistift
durch und durch gebeizt
im hölzernen augenwinkel
fällt der buchdeckel
auf meine schreibende hand
obwohl die tage wieder länger
es geht auswärts zu
sagen die menschen und hellen
ihre gesichter auf
unbeirrt im dunkeln
deine stimme erzähl

VOLLKOMMEN oder wie sagt man doch
vollkommen anderer neigungswinkel
schon seit jahren
rücken an rücken
so stückweise
auseinander rücken
auch abrücken
hinabrücken
in die vertiefung der augen
in den rissen
ins dunkel gereiht
überwintern bläulinge