Johannes Tröndle, Foto: Daniel Terkl

Johannes Tröndle, geboren 1981 in Hallein, Studium Violoncello in Linz und Musikwissenschaft in Wien, lebt als Autor, Hörspielmacher, Musiker und Klangkünstler in Wien. Diverse Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften (freibord, Lichtungen, podium, wohnzimmer, zeitzoo,...), Siegertext Ö1-Literaturwettbewerb 'woerter.see' 2010, Start-Stipendium für Literatur des Bmukk 2010, erostepost-Literaturpreis 2014. Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung. Die (Live-)Hörspiele 'Urgroßvater' und 'Das Zeitmesser' sind 2012 bzw. 2013 in der edition audiobeans auf CD erschienen. Er ist Co-Initiator der elektro-akustischen Duos inien, nörz & acker velvet, gab zahlreiche Konzerte in Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, Polen, Tschechien. Weitere CD-Veröffentlichungen auf schraum / Berlin (2009 + 2011) und monotype records / Warschau (2012). Diverse Klang- und Hörspielarbeiten fürs Radio (u. a. Ö1, Deutschlandradio Kultur, Hessischer Rundfunk). Kuratiert und moderiert als Mitglied des Redaktionsteams der Alten Schmiede Literaturveranstaltungen ebendort. Im Herbst 2016 erschien bei hochroth Wien sein erster Gedichtband frühzeit elefantenfarben. http://www.johannestroendle.at

 

Laudatio

Marie-Rose Rodewald Cerha für die Jury des Feldkircher Lyrikpreises 2017

Bereits im ersten Gedicht gibt sich der Musiker im Autor zu erkennen. Er setzt sich mit dem Stück 4'33'' von John Cage auseinander, das durch Rauschenbergs White Paintings angeregt wurde. Die musikalischen Anweisungen werden verschränkt mit Alltagsbeobachtungen und eröffnen der Leserin so neue Perspektiven. Wie das Musikstück die übliche Rezeption von Musik in Frage stellt, so gerät hier die Leserin ins Wanken ob der mehrschichtigen Bedeutung des Gelesenen. Am Ende – wie bei Cage – die radikale Anweisung „tacet“, die im dritten Gedicht wieder aufgenommen wird. Der Autor konfrontiert uns dort mit einem wortlosen Gedicht, das wie Rauschenbergs White Paintings und Cages 4‘33‘‘  die jeweilige Kunst ‚auslöschen‘ soll, um sich neu an sie (den Ton, die Farbe Rot, das Wort) heranzuwagen. Diese Demontage im Mittelstück des Zyklus ist im Sinne einer Neujustierung auch Programm in den weiteren Gedichten. Geräusch und Stille, Politisches und Privates, Privileg und Diskriminierung, Flora, Fauna und der Großstadtverkehr werden einander gegenübergestellt und vielschichtig verwoben. Avantgardistischer Anspruch spielt mit Alltäglichkeit, aber auch mit Idylle und Nostalgie. Der Sprachgestus verrät den Musiker. Unaufgeregt entfalten die Gedichte einen Sog voller Rhythmus und Klang. Der Autor weiß um die Bedeutung der Sprache, nimmt sie auseinander, setzt sie in Sequenzen und schafft neue Verbindungen. Seht her, was sie alles kann und was sie mit euch macht! Dieses Bewusstmachen ist notwendiger denn je. Dafür gebührt Johannes Tröndle ein Preis. Ich gratuliere im Namen der Jury ganz herzlich.

Gedichte

I – vierdreiunddreißig

dichter verkehr zwischen wettstein- und wertheimsteinpark / nun nichts
weiter im kopf / musikalische ruhe- und vortragsbezeichnungen /
minimalistische bilder / umkreisen den mistkübel hübsche tür-
kis oder meeresgrün schillernde schmeißfliegen / bremsen –

warte (nichts weiter): ein zwischenstopp an dieser ampel (fer-
mate
) / verschwitzt unter schütterem haar in der fahrerkabine / ein
leeres gemälde von rauschenberg (rot - - ) / baumelt ein
fuchsschwanz / und augenblick später passierst du - - - das

grinsen des späten john cage auf dem beifahrersitz / mitsu-
bishi
/ ein schnappschuss: der scharlatan mit der buddhistischen
schnapsnase – / der uns nichts weiter sagen will / denkst du / kein
augenblick später schon jeglicher ausdruck decrescendo ver-

schwunden / die miene verschluckt / in der fahrerkabine ein
namensschild ROBERT / das hörst du noch: spürst du das biene / seit
wochen nichts andres
/ im hinterkopf: dieselgetriebe und frisches ge-
müse im laderaum / schockzugefrieren / spätnachts / denkst du

weiter / nur gummi im mund / pianissimo surren / dem
abstellen des motors folgt schalltoter raum: nur das
pumpen des kreislaufs / das sirren des nervensystems / das dich
wachhält doch irgendwann klappen selbst dir die klavierdeckel

zu / überquerst du die straße / hältst mitten im übergang /
nichts - - rauschenbergs auspuff / jetzt 4'33'' die
luft an and that´s it: tacet :

II – bauchnabelpflanzen

alles ist rhythmus und frieden den inseln / seit menschenge-
denken sirenengeheul
/ während du (denn das sagt sich so
leicht mein in/sektglas) die ohren nicht fleisch- sondern kriegsfarben/
grün dich im kühlen im kreisrunden blattwerk der bauchnabel-
pflanzen verflüchtigst / geflüchteter häuptling des donaukanals –

weil sich die ohnehin düsteren wolken verdichten / weil
jede sekunde ein heuschreckenschwarm dein profilbild be-
schattet / mit schiss überzieht / überschnattert akustisch zer-
zwitschert / schon ahmen die tauben das gurren der festplatten
nach / weil der häuptling im kriegsrausch als göttlich empfindet was

weiter kein gott mehr versteht / während ich (denn das sagt sich so
leicht) im olymp oder elfenbeinturm dem gezwitscher ab-
hold den archaischen schrei eines reihers notier / im vor-
beigehn den duft von narzissen und pferdefleisch beidseits des
brückenkopfs / pisse / vermisse / vermisst du akribisch die

spannweite doppelt vor regen geschützter rotkreuz-zelte
unter der brücke / kein bit von den düsteren clouds / den clo-
chards
/ den beschissenen anblick der ausspeisung hält der no-
made für instagram fest / und im anschluss zum türkischen
blumenstand: handgemalt rührend mit tixo fixiert ortho-

graphische fehler / ein schnappschuss für besserverdiener / in-
des du dir allmählich funkstille / wachs deinen ohren wünschst
und weiter nichts – als bedenkenlos guten gewissens die
eben im blattwerk der bauchnabelpflanzen geschlüpfte ganz
harmlose heerschar von trauer-mücken in/sekt zu ertränken

III – (tacet)

 

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IV – blue danube

dies belauschen wir täglich: ein mittags stromab
unsere ohren/kanäle berauschende ausflugsschiff
namens blue danube / an unserem ausguck brigittenau
(rauschen verweile) vorbei / unsren mittags verrauschten noch
trägen pupillen / noch rauschigen bauchnabelpflanzen vor-

über / dies tägliche dröhnen / turbinen- und dreiklangsge-
trieben die schraube des ausflugsschiffs / steuert auch heute di-
rekt unsre ohren an / diese entlegnen regionen in
die niemals licht fällt / kein gras sprießt dem trommelfell / dröhnen und
zwischen den stillen (wie nachwehn) phantomschmerz der feuerwerks-

körper / auf unsren membranen verdichten sich alle von
gründerzeit an in die erdatmosphäre gerauschten ge-
schätzten milliarden versionen des seligen walzers zu-
gleich abgespielt / komponiert sich ein drone aus dem harmlosen
dreiklang (d-dur) / aus dem schmutzigen schiffsbauch des ehemals

schneeweißen dampfers blue danube der mittags die
stocktauben stockenten uferwärts spült / die verwackelten
bilder von gestern im schlepptau – / ausguck brigittenau – /
– dies betrachten wir täglich – / dass dieses schiff über-
haupt noch verkehrt: unter böller- und korkenbeschuss / von ra-

keten durchsiebt / überfrachtet mit vorsätzen sektflaschen
ansprachen müsste es längst schon gekentert sein / leicht in die
jahre gekommene kennmelodie – / dieser walzer rauscht
immer noch / nussdorf stromab richtung alberner hafen / ein
täglicher neujahrstag (2017) / – schneeweiße möwe im kiel
                            

V – (zarte retusche)

manchesmal glückte das (zarte retusche) / gewirbelt ins
lesen / nach schulschluss – drehte der wind auf wildwest / ganz
egal wo du warst / die erregung im kopf ließ sich überall-
hin transportieren / hinfort diese lähmenden lärmenden
stimmen (die stunden verloren im sesselkreis / dort dich be-

täubend / nach klebstoff roch es und dem eigenen schweiß) / und hin-
fort diese blassgrüne reihenhaussiedlung voll giftiger
leute – pfadfinder ausschwätzer und auf die spielstraße
spuckende schlatzende torschützenkönige – saustest im
schuss einen weiteren schatz in den händen / geborgen im
silbersee (weg! und bis morgen du stille verlassene
schulbibliothek) und forthin diese anderen landstriche –

manchesmal glückte das (zarte retusche) / – tauchte nach
schulschluss (kulisse) ein stausee auf / kiefern- und fichtenbe-
standener saum / wuchsen moosüberwachsene stege / ein
wellengekräusel / verbündetes birkenblatt? / ohren ge-
spitzt: dieser pfiff jetzt vom anderen ufer: der gegend von
winnetou (war doch in wirklichkeit steirischer
autobahnbrückenbeschatteter schwarzbeerenwald) aber

sei´s drum - - ganz egal wo du warst / etwa heute im
wettsteinpark (donaukanal) inmitten der föhren / be-
törender nadelduft / lag – wer will? – dieses flohmarktbuch
das dir nichts weiter sagt im gesträuch / mit dem grüngoldnen
einband / den stempeln im einband / den mustern und siegeln vor

jahren die schleusen geöffneter schulbüchereien / ver-
schleudert / mein kindskopf / vergebliche rekonstruktion des i-
dylls dieses buch kannst du nicht retournieren / bloß manchesmal
glückte das (zarte retusche) – übersetze wortwörtlich: noch
einmal berühren