Silke Peters

Silke Peters, Jahrgang 1967, lebt in Stralsund. Nach ihrem Studium hat sie als Lehrerin, in Naturschutz- und Kunstprojekten gearbeitet. Seit 2000 veröffentlichte Silke Peters zahlreiche Gedichte in Zeitschriften, Anthologien, in Künstlerbüchern und in zwei Gedichtheften. Schreiben ist für sie ein besonderes Wahrnehmungsinstrument, um der Brüchigkeit des Daseins nachzuspüren, Entdeckungen zu machen und sich auf die Reise zu begeben in innere und äußere Landschaften.

Laudatio

Petra Ganglbauer für die Jury des Feldkircher Lyrikpreises 2009

Die Gedichte von Silke Peters sind aufgeladen; knisternde, kurze Stücke,
die Zeit lassen, die Raum lassen für ihre Fortschreibung im Kopf des Lesers oder der Leserin.
Sie sind geheimnisvoll, weil sie sich einer zu raschen Verstehbarkeit entziehen, sie sind mit ungewöhnlichen Fährten und bewusst gesetzten Abweichungen, Entgleisungen ausgestattet.

„Als die Aprilsonne mir die Augen/ verblitzte und der Wind ging über dem/ Schwarm Hering.“
Diese kurze Sequenz deutet bereits an, wie sehr diese Dichtung auf einer multidimensionalen Ebene funktioniert, einer Ebene, die die Gleichzeitigkeit von allem zulässt, die jenen Raum bewohnt, auf der die Dinge einander durchwirken, durchqueren, durchsprechen, durchleuchten. Deshalb sind die Gedichte auch nicht linear zu lesen, es gibt keinen Anfang und kein Ende, schon mit den ersten Worten eines Textes  fasst die Autorin mitten hinein ins Leben, ins Bild.
Diese Literatur findet sich nahe an der Bildenden Kunst, nicht nur, weil sie so chromatisch ist, nicht nur, weil zwischen den Worten Licht durchblitzt, sondern auch, weil die Elemente, die einen Text ausmachen, so arrangiert sind, dass manche von ihnen wie eingebrochen, abgebrochen wirken. Und dort, wo nichts ist, sprechen die Dinge in ihrer ganzen Wesenhaftigkeit.

Die Gedichte sind also gewissermaßen fragmentarisch angelegt, so dass ein Weiß verbleibt, diese Leere, die ermöglicht, dass während der Lektüre auch ein großer Atem spürbar wird, ein Innehalten, Schweigen.

Deshalb ist es möglich, ganz einzutauchen in die Texte; mit unseren Empfindungsräumen. Denn jede/r Leser/in ist auch Resonanzkörper.

Die Gedichte von Silke Peters schillern und leuchten. Schön, dass es Literatur wie diese gibt.

Gedichte

Der Leuchtturm von Hiddensee liegt tiefer als ich dachte in der Bucht. Ein blinkender Knopf war zwischen die Pausen gestellt. Einzelne Buchstaben rutschten ab hinter der Feuchtigkeit der Tafel. Sie wanderten in Kontinentaldriftgeschwindigkeit. Sie gingen von hier los. Du zeigtest auf den Morgenstern. Er lag auf meiner Hand – der Letzte. Toy auf den Wänden. Und in Buenos Aires sterben. Das wird dann auf den Steinen stehen. Andenken in der Vitrine. Die Buchstaben rutschen weiter ab. Und verwandeln alles in Orte. Hier. Die goldenen Kelche auf der Insel blinken. Verbilligte Seesterne auf der Mole.

Die Seepferdchen schwirren so. Es ist eine Art Aquarium untertage in dem ich sie halte. Als die Aprilsonne mir die Augen verblitzte und der Wind ging über dem Schwarm Hering. Taubenblau war dein Blick in die rostroten Wolken an der Balkendecke in Bessin. Nur hier könnte es so sein sagtest du zaghaft nur hier könnte es so sein. Unkrautsamen in den Taschen und für die nächsten Jahre genug. Jetzt einen Diasporenvorrat anlegen. Deine Hände löschten die Zeile über der Stirn in Leuchtschrift. Es reichte uns. Windschutzstreifen und der träge Sand des Hochsommers rieselte  noch nach.

Dein  aus den Gleisen gesprungener Text. Störrisch vor Langeweile bist du. Gehst die kleinen Lebenskreise ab. Nichts ähnelte sich mehr. Die gestockten Farbtränen am Geländer sind verjährt. Eine verpasste Gelegenheit mit Flamingos im Bild. Als wir uns neulich die Pulsadern öffneten. Bäume leben in ewiger Ekstase. Ich lösche mich täglich aus. In allen Details. Auf den Bildschirmen der Technikabteilung. Dein verpixeltes Gesicht.

Im Traum kam ich nicht so leicht davon. Wir gingen eine Fernsprechverbindung ein. Bergenienblüten  auf dem Tisch. Die Tauben landeten sagtest du in deinem Garten gerade als fielen sie wie tot vom Himmel auf mein Grasdach. Hungerblümchen.  Ich kann mich nicht entscheiden. Englisch Grass unter dem Löschsand. Narzissen bauschen schwarz ihr Pompon. Brockes Trost. Die Altenteile werden neu verlost und einsame Aufenthalte am Meer. Eine zerknitterte Zeitachse glatt gestrichen wie das verbitterte Herz im Salat. Trauermäntel an deiner Schulter bewegten sich wie festgenäht. Wir legten zum Schein unsere Lebensläufe zusammen. Einen Mietsommer lang.  

Aber ich war in allem zerfallen und eingerichtet in den Tag als wir uns zum dritten mal begegneten. Und niemand schaute auf. Wenn ich hier die Rauhigkeit deiner Verse berechne. Die gebrochene Dimension. Liegt mir ein Übergangsobjekt in der Hand. Eine Ost-West-Passage. Du siehst wie eine Touristin aus. Taubes Gestein Hangendes ein nachlassendes Frühlingsgefühl. Schill war auf diesen Stufen gestorben. Amarant fand sich im Grund der Töpfe.  

Der Mönch irrt so über das süße Land verlassen oder man müsste ihn malen wie Luther sagt. Donnergrollen vom Meer. Fehldrucke. An der staubigen Straße kleben  Erinnerungen fest. Die gravierten Wellen in dem Gefäß und die grünen Gräten im Hornhecht. Schwarze Silbermöwen folgen uns. Ein Simile an Gefräßigkeit. Salzdrüsen unter den aussichtslosen Augen. Helle Schatten und wenn du nicht schwimmen kannst geht es schneller. Schnee auf den Ansichtskarten im April.

Nicht eine gute Nachricht heute von uns beiden. Vineta du bist untergegangen. Ich erfinde dies alles neu in den Hilfslichtern am Bug. Der Grund morgens zu lächeln entfiel. Hermenhaufen. Die Lichter der Schlüsselblumen schließen hier nicht dicht im Mai. Dies alles fing viel früher an. Das  sagtest du zu uns beiden. Ich wache auf kurz nach dem der Regen einsetzt.

Unter so vielen Flügeln ganz sicher zu sein. Das Wunder war kurz danach wie durchsichtig gesetzt. Santa Lucia deine leichenblasse Stirn was auch alle sagen mögen ist faticaccia. Die Sonne zehrt es auf. Wir tun fast nichts. Wagner starb hier. Wenn sie nur einen Tag Zeit haben. Picasso war ein Gondoliere. Bata die struppige Platane.

Ein Teilablass wird dir gewährt unter ihren Glasaugen. Murano. Die Pantomime des Verstehens. Perlen in allen Taschen. Tauben. Der Schmerz bleibt in der Schmelze stehen. Niemand ist wach alle schlafen das ihre. Mein ich spielt sich auf im Hintergrund der zufälligen Fotos. Turners Licht erschreckte mich dann doch am Abend.

Dieser Film wird nie realisiert werden. Die Kategorientafeln bleiben geschlossen. Die abgedunkelten Wunder treiben Blüten in die Herzen der Männer. Tenöre. Ein Taschenkrebs wagt sich unter meine Sicht. Proteus unwilliges Gemurmel entfacht die Postmoderne. Kaum Engel und geflügelte Vorhaben aber  Epigramme in den  Mittagstisch gekratzt. Die unaussprechliche Untreue der Dichter beim Eintreten in die Gruft ziehen sich die Pupillen zusammen.

Das große Immergrün winkt im Schatten. Du trägst den Kopf auf deinen Händen. His body. Wann werden die Kirschen reif sein. Morgen geben wir uns die Hand. Das Gras faulte gleich nach der Mahd. Einzelne Recherchen verliefen sich. Unsere gezirpten Initialen bildeten einen Haufen im rotblättrigen Salbei wie Gespräche über Dichtungstheorie.

Als die Verwirrung sich legte sah ich in die Luft. Abdrücke von Perlen auf meiner Haut. Ein in meine Armbeuge konzipiertes Schutzzeichen für uns beide. Eine Silbe die zählt. Ich trenne mich hier noch einmal auf.  Wir müssten fliehen. Ein Gedicht unter Sauerstoffabschluss was macht das schon als ich heute Nacht unter deine Anwendung geriet. Ich kann nicht mehr träumen. Unter diesen Bewusstseinschauern entstand eine Skulptur als wir danach riefen. Du vermisstest mich sehr und das Gegenleuchten von Mohn.

Ein Vinca major im Schattennest deiner Füße. Eine einfache Versteigerung und die Starrheit einer Aloe im Wind. Warte dann siehst du den Wald. Ich war mein letztes Hemd. An der Leine bleichen die Holzklammern. Es gibt Gespräche über das Wetter. Ein Engel schaltete die Reime stumm über dem Haus. Ein philosophisches Fenster. Unter deiner Annahme musste ich weinen.

Das in Streifen gemähte Licht erreichte die Stadtgrenze. Ich leere meine Taschen. Da war noch ein Rest für die wegelagernden Geister. Gefräßige Gespräche im All. Sie wurden fett an uns. Versengten den Tag.

Die Du-Spannung wird langsam herunter transformiert. Jetzt. Das Glück ist keine Nachricht. Und wenn sie aus anderen Gründen zueinander sprechen die Menschen. Damit du es fühlen kannst. Unter diesen Randbedingungen brauchten wir uns auf. Eine einfache Form von Solidarität Verletzung. Es schloss uns aus. Früher wurden noch süßere Sorten ausgebaut. Ich sah unter deinen Gedankenketten nach da blieb nichts liegen für den nächsten Tag.

Restaurierte Idyllen Gedankenschneisen eine Schnellbahn von hier nach hier. Da kannst du gut den billigen Film nehmen. Reisen senkt die Vorurteile. Ich hörte davon. Im Niemandsland. Ein Tapetenmustervergleich über die Geburtsjahrgänge. So war das. Das alles ist von einer einfachen Parkbank aus aufgenommen. Wer will das alles offen halten? Es wird zu einer Dauerbeweidung kommen in diesem Bereich. Zwischen uns.