Alexandra Lavizzari

Alexandra Lavizzari, 1953 in Basel geboren, Studium der Ethnologie und
Islamwissenschaft, 1980 – 1995 wohnhaft in Kathmandu (Nepal, Islamabad (Pakistan) und Bankok (Thailand), seit 1999 wohnhaft in Rom. Verheiratet und Mutter von 3 Kindern. Zahlreiche Veröffentlichungen. Mehrere Preise und Stipendien.

Laudatio

Gerhard Jaschke für die Jury des Lyrikpreises 2007

Die 1953 in Basel geborene und daselbst die Studien der Ethnologie und Islamwissenschaft betriebene Alexandra Lavizzari (verheiratet und Mutter von drei Kindern), die von 1980-1995 in Nepal, Pakistan und Bangkok wohnhaft war und seit 1999 in Rom lebt, kann bereits auf ein umfangreiches Werk zurückblicken.

Genannt seien der im Suhrkamp Verlag erschienene und längst vergriffene Materialienband „Virginia Woolf”, die bei Zytglogge herausgekommenen Romane „Gwen John – Rodins kleine Muse” und „Wenn ich wüsste wohin”, die Novelle „Ein Sommer”, die in der Berliner Edition Ebersbach verlegten Essays „Lulu, Lolita und Alice – Das Leben berühmter Kindsmusen” und schließlich ihre Gedichtbände „Am Tag des ungebrochenen Zaubers” (Dendron Verlag) und „Schattensprung” (Friedmann Verlag). Die in Anthologien, Zeitschriften (etwa „drehpunkt”) und Zeitungen („Neue Zürcher”, „Der Bund”, „DU”, etc.) mit Beiträgen vertretene, kann auch mit einigen Förder- und Anerkennungspreisen aufwarten, etwa dem Würth-Literaturpreis der Poetik-Dozentur der Universität Tübingen.

In den fünf Gedichten, die Alexandra Lavizzari für den 5. Feldkircher Lyrikpreis unter der Kennzahl 11853 – möglicherweise ihre Geburtszahlen – einreichte, besticht vor allem eines, wie ich, der diese Arbeiten unter die besten siebzehn aus fünfhundertundzwanzig reihte, meine: eine ungeheure Bilderflut, die an Intensität nichts vermissen läßt, die sie in knappen, subtilen wie fragilen Gebilden festhalten will, was scheinbar ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Im ersten dieser, „reise” betitelt, rücken die Elemente Feuer und Wasser nah zusammen. Dieses wie alle anderen von Lavizzaris Poemen enthält Rätsel, wirft Fragen auf, ist auf dem Weg zu einem Zufluchtsort. Lavizzaris lyrisches Ich sehnt sich nach Wärme und Schutz.

Regenerationsplätze werden von der Vielgereisten avisiert, erotisch-poetische Motive stellen sich ein, zarte, leicht-schwebende Bilder bietet sie uns da an, die uns mitunter wie in Levitation geraten lassen. Wortneuschöpfungen wie Federfloss, Reimwörter wie Licht auf sticht hält sie aber ebenso bereit.

In dem Gedicht „fund eines hufeisens” trifft „ungetrübtes glück” auf den poetischen Globus „am Tag des ungebrochenen Zaubers”. Akribisch trägt Lavizzari selbst auf den ersten Blick Unscheinbarstes zusammen. Getrieben ist sie da von einer nahezu magischen Kraft, die ihresgleichen wohl nicht so leicht findet, und die sie, wie sie an einer Stelle anmerkt, aus entlegensten Archiven zieht.

In ihrem „phoenix”-Gedicht scheint nichts mehr haltbar zu sein, alles löst sich da auf, das Poem – eine Momentaufnahme, der Versuch, eine Euphorie festzuhalten – trotz aller Blendung, Täuschung.

In „kürbispflanze” versucht die Autorin den Triumph des Sommers ins Bild zu setzen. Hier haben wir es mit äußerst metaphernreichen, dichten Gebilden zu tun, die ins Wort münden, dieses überlagern und Erinnerungsbilder geraten zu etwas Ungerahmtem, flüchtig Fixiertem.

In dem abschließenden Gedicht mit dem Titel „erinnere dich” liefert Lavizzari ein Finale, das ein Zusammenfließen von Hitze und Kälte, Leben und Tod zum Inhalt hat.

Sprachliche Mutationen gibt es hier, die wie Masken den Besitzer wechseln. Dunkel und geheimnisvoll ist dieses Werk, in dem Falsches überwunden, getilgt wirkt. Ränder werden ausgelotet, Fremdes registriert und mitaufgenommen.

Gedichte

PHÖNIX

werden am ende
höchstens
eine feder retten aus der glut
und mit dem angesengten kiel
unsere dankbarkeit
in die wolken schreiben
fürs feuerwerk
die ewigkeit
mit der er uns
so lange
geblendet

ERINNERE DICH

schliess die augen
einen blitzschlag lang
und zünde mich an
es wird mich verwandeln
das feuer
bevor meine asche
aus den dunklen krügen
des vergessens über
deine wimpern
stäubt
wird die masken mir
vom gesichte lecken
bevor du blind
über falsche schwellen
stolperst
und eine fremde dich
mit kalter hand
bis an den rand des schachtes
schleppt
und du fällst
schliess die augen
und zünde mich an
einen blitzschlag lang
es wird uns beide verwandeln
das feuer

NUR EINE FRAGE

sind wir nicht schon
alle tot
kadaver die treiben auf dem
fluss der zeit
seit die nabelschnur gerissen
und unter den schwarzen
fittichen der sekunden
uns
der hoffnungsstoff
ausgegangen?

REISE
...
und
werden des morgens
das federfloss besteigen
dessen mast uns nachts
den himmel auf
sticht und licht
so milchweisses, warmes
auf schenkel und hände
herabfliessen lässt
werden das flammende segel
hissen und treiben
von allen ufern abgestossen
den strom hinauf blindlings
zurück in den berg
unser nest

EINSCHLAFEN
in der stunde
zwischen hund und wolf
der eichendunklen
wenn nacheinander
alle wege
unter den hufen
meines fabeltiers
verloren gehen
vertrau ich ihm auf der
wilden flucht nach vorn
lass die zügel schiessen
und pflück von den
büschen im flug
noch eine handvoll
weisser früchte
zu schweben
über den kronen
blut- und schwerelos
wie ein mond