Sascha Kokot, Foto: a.sophron

Sascha Kokot, geboren 1982, Lehre als Informatiker, Beschäftigungen als Fotograf und Redakteur
2006-2010 Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig; 2008 Drehbuchpreis «Ansichtssache» und Verfilmung in Kiew;  2007 Stipendium des Literaturrats Sachsen-Anhalt, 2009 der Stadtmühle Willisau (CH), 2010 der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen;  Finalist beim 17. Leonce-und-Lena-Preis, beim 4. und 5. Literaturwettbewerb Wartholz und beim 2. Münchner Lyrikpreis

Bibliografie (Auswahl):
„Rodung“, edition AZUR, ISBN-13: 978-3942375078, Dresden
"Akzente - Zeitschrift für Literatur", Hrsg: Michael Krüger, Michael Lentz, Verlag: Carl Hanser, München 2007
"BELLA triste" - Nr. 23 Frühjahr 2009, Hildesheim 2009, ISSN: 1618-1727
"roughbook 003 - Cowboylyrik", Hrsg: Ulf Stolterfoht, Verlag: Engeler, Weil am Rhein 2009
"Jahrbuch der Lyrik 2011", Hrsg: Christoph Buchwald, Kathrin Schmidt, Verlag: DVA, München 2011

Laudatio

Tobias Falberg für die Jury des Feldkircher Lyrikpreises

Schwerefelder, die an uns zerren - ein zweiter Preis für Sascha Kokot - Sascha Kokot ist ein Autor, der seine Art, im Gedicht zu sprechen, gefunden hat. Klar und unaufgeregt reihen sich die Wörter aneinander. Jede Zeile gibt uns meist ein Verb, kleine Teilsätze, die uns Stufe für Stufe mitnehmen, sich zu einer Treppe, einem Gedicht zusammenfügen. Kokot ist ein Gegenstück zum Um-jeden-Preis-experimentell-Sein. In den besten Momenten ist die Lektüre für den Leser wie eine Meditation.
Der Sprecher der Gedichte zweifelt an der Sicherheit, mit der die meisten durchs Leben zu gehen scheinen. Er stellt uns solche Menschen vor: „sie (ihre Körper) ... scheinen die Routen verlässlich zu kennen“. Doch sind diese Menschen unfähig zu sagen, was der Grund dafür ist, dass sie Tag für Tag diese immergleichen Wege beschreiten.

Folgerichtig geht es in den forschenden Texten um Erinnerungen, darum, alte Papiere auszusortieren, vielleicht wegzugehen, denn „du wirst hier nicht gebraucht“. Die Häuser der Stadt wuchern im Fieber, nur die Leuchtreklamen geben Grenzen vor. Die Abstandslichter der Marktwirtschaft sind das einzige, das noch Orientierung anbietet, doch das lyrische Wir spürt, wie stattdessen die Schwerefelder dieser Häuser an ihm zerren, Gewalt über es erlangen.

Lösungen hat der Sprecher nicht, will uns auch keine geben. Dafür schenkt er uns wirksame Bilder wie die Sonne „als gleichmäßiges Raffineriefeuer in großer Höhe“.
Für diese genauen Beobachtungen von Außen- und Innenwelten, für diese strophenlosen, in gleichmäßigem Fluss sich entwickelnden Gedichte, für seinen ganz eigenen Ton erhält Sascha Kokot diesen Preis.

Gedichte

als gleichmäßiges Raffineriefeuer in großer Höhe
steht die Sonne über uns
darunter dem Dunst halb entzogen
wuchern unsere Häuser im Fieber
schälen sich aus den Konturen
nur Leuchtreklame und Abstandslichter
geben uns die Grenzen ihrer Leiber vor
zeichnen die Bahnen nach
auf denen sie zirkulieren
wir spüren ihre Schwerefelder an uns zerren
wenn sie mit porösen Oberflächen passieren
uns einfangen und trudeln lassen
bevor sie alle Gewalt über uns erlangen
und selbst der Deputatschnaps die Angst
zu hart aufzuschlagen
nicht mehr zudecken kann